Er reichte mir die Hand, behandschuht zwar, aber dennoch. Er reichte mir die Hand und hielt die meine lange fest. Es war ein Anfang, und Anfänge sind gut. Ihnen wohnt stets ein Zauber inne.
Am Vormittag war er noch erzürnt gewesen, nachdem die Stadtwache von Bree für so viel Tumult gesorgt hatte. Diese Bande von nichtsnutzigen, trampelfüßigen Tölpeln! Und als ich über das Ungeschick dieser blechernen Bierkrüge auf zwei Beinen lachte, da schien der Fürst noch erboster und sprach von Feuern, die allzu leicht verbrennen. Wie sonst hätte ich das verstehen sollen, wenn nicht als Warnung? Doch der Wolf hatte Recht, wie so oft hatte er Recht – auch wenn ich ihm das nicht zu oft sagen sollte! – ich hätte mir wohl keine Sorgen zu machen brauchen. So schnell löst sich das Feuer nicht in Schall und Rauch auf.
Lysawyn habe ich es zu verdanken, dass sich die Sache noch am selben Tag klärte. Sie ist jung, und doch ist sie schon jetzt eine gute Diplomatin. Was sie leistet, könnte ich nie und nimmer vollbringen! Da ist zu viel loderndes Feuer in mir, das sich immer wieder seinen Weg bahnt, so sehr ich mich auch bemühe, die Flammen unter Kontrolle zu halten. Und Lysawyn – sie rührt mich in ihrer Unschuld, mit ihren rosensamtenen Träumen von der großen Liebe. Wie gern, wie gerne nur würde ich daran so wie sie noch aus vollem Herzen glauben, und sei es nur für einen einzigen Tag. Aber wie sagt Sanguisa doch immer so schön: Was nützt es, sich Gedanken über die Vergangenheit zu machen. Verschwendete Zeit. Was geschehen ist, ist geschehen.
Und so betrachte ich meine Hände. Im Licht des Kaminfeuers wirken sie rötlich, beinahe rot. Ja, rot, denn es klebt Blut an ihnen, so viel Blut. „Ich würde sterben für die Liebe, ich würde mein Leben geben für meinen Liebsten“ – wie oft habe ich das schon gehört, auch hier, in diesem Haushalt. Was würden sie sagen, was würden sie denken, was würden sie tun, wenn sie wüssten, dass ich meine Liebe mit diesen meinen Händen getötet habe? Vor langer Zeit, in einem anderen Leben. Sicher, ich hatte meine Gründe, und ja, ich wusste keinen anderen Weg. Bis heute weiß ich keinen. Und doch ging an jenem Tag so vieles unwiederbringlich verloren.
In mir brenne ein Feuer, so hell wie die Sonne, so warm wie das Leben, eine Anor feanol, sprach der fremde Elb zu mir. Er sah mich mit seinen weisen Augen eindringlich an, so als ob er mein Innerstes lesen könnte. Ich solle an mich glauben, ich könne nur gewinnen. Ich hätte mich gern länger mit ihm unterhalten, er schien so unendlich viel zu wissen. Und seine Worte waren Trost.
Ich kann nur gewinnen…Vielleicht hat Ghosa recht. Verlieren kann ich ohnehin nichts mehr, mir bleibt nur mein Leben, diese winzige, kleine Flamme.
Ich betrachte meine Hände, im Lichte des Kaminfeuers wirken sie rot, so furchtbar rot. Kann ein Mensch sich wirklich ändern? Die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen? Einen neuen Anfang finden? Ich habe darauf keine Antworten.
Ich werde es herausfinden.
ooc: Schön zu lesen :))
ooc: danke sehr, lys! Der Anfang ist natürlich, ich gebe es zu, leicht geklaut…oder sagen wir: eine ehrfürchtige Anlehnung an einen Satz aus Hermann Hesses Gedicht „Stufen“: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“… 😉
ooc: Nicht nur Anfängen wohnt ein Zauber inner… auch dem Beenden *nickt* Worauf ja wieder ein Anfang folgt… Doppel-Zauber? *kratzt sich an der Stirn* Wunderbar geschrieben, Iyra!