Ich wohnte einem Kampf zwischen Vogel und Raubtier bei. Krähenlist gegen Wolfsgewalt, die Krähe gewann. Und doch kannte der Abend keinen wirklichen Sieger.
Ich verabschiedete mich vorzeitig. Die alte Narbe schmerzte, sie meldet sich wieder öfter in letzter Zeit, ich weiß nicht warum. Vielleicht will ich es auch nicht wissen. Ich versuche das Brandmal und alles, was damit zusammenhängt, zu ignorieren, so gut ich kann. Es ist so lange her, und doch lodert diese Flamme auf meiner Haut noch immer so hell und so rot wie an dem Tag, an dem sie sich mir in gnadenloser, beißender Wut in den Arm brannte. Mein Fluch und mein Segen, bis das Feuer verlischt…
Ich lenke mich lieber ab mit den Sorgen und Nöten der anderen. Es ist einfacher so, erfreulicher außerdem. Einige scheinen Fortschritte zu machen. Lynne zum Beispiel. Ich konnte sie noch nicht wieder sprechen, doch sie wirkt verändert, ihr Schritt ist fester, ihr Blick entschlossen. Lysawyn, strahlend und freundlich wie eh und je. Wenn sie noch Zweifel und Unsicherheiten hegt, verbirgt sie das gut, ganz die Diplomatin. Selbst Sanguisa wirkte zuletzt seltsam gelöst, auch wenn man bei ihr nie so genau weiß, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Und der Wolf – ich kann mich getäuscht haben, aber war das tatsächlich ein Lächeln auf seinem Gesicht? Auch dem Wolf scheint es also etwas besser zu gehen, für seine Verhältnisse jedenfalls, und einmal abgesehen von der fatalen Neigung, sich immer wieder die Hand an derselben Stelle aufzuritzen. Wie soll eine Wunde heilen, wenn man immer wieder an ihr rührt!
Den Fürsten sprach ich noch nicht wieder, doch ich bin sicher, er ist auf dem richtigen Weg. Wäre es nicht so, es würde sich ja doch wie ein Lauffeuer im Haushalt verbreiten.
Ich traf sogar den Namenlosen. Er scheint sich tatsächlich dem Willen des ungehobelten Klingenputzers gebeugt zu haben und trägt nun die Uniform der Wache. Es hat auch etwas für sich, wenn ein Gesicht nicht ständig im Schatten liegt. Ein Gespräch mit ihm ist allerdings in etwa so, als würde man versuchen, mit nassen Lumpen ein Feuer zu entzünden. Irgendwann gab ich es auf, seine einsilbigen Antworten abzuwarten. Geduld war noch nie meine Stärke! Ich weiss nicht, ob sein Kopf tatsächlich so langsam arbeitet, oder ob das alles nur Tarnung ist. Seltsam ist nur, dass ich an meinem ersten Tag im Haushalt des Fürsten einen ganz anderen Eindruck von ihm hatte.
Manche Rätsel lassen sich nicht lösen.