Als ich das nächste Mal erwachte, war der Wald noch immer in ein diffuses Licht getaucht.
Wie lange hatte ich hier gelegen? Was war mit mir geschehen? Hatte das flackernde, fauchende Feuer tatsächlich die Oberhand gewonnen, als meine Kontrolle schwand, wie schon so oft in meinen Träumen? Oder war am Ende gar nichts passiert? Bilde ich mir das alles nur ein, dieses besondere Band mit den Flammen? Vielleicht werde ich verrückt…
Womöglich hat Rodgar recht, und ich sollte mich jemandem anvertrauen. Nur wem? Dem Wolf und der Krähe etwa? Mit ihnen sprach ich bisher am meisten. Und doch haben sie genug eigene Sorgen, was sollen sie da mit meinen. Der Fürst und die Baroness? Auf keinen Fall! Ganz ausgeschlossen. Lynne, Lysawyn? Beide sind freundlich und feinfühlig, aber würden sie auch verstehen? Daran zweifle ich noch. Es ist ähnlich wie mit Giselher. Der brave Mann würde vermutlich schreiend davon rennen, wenn ich ihm auch nur einen Teil dessen erzählte, was mich wirklich beschäftigt. Da könnte die unverzichtbare Tasse Tee vor ihm auf dem Tisch noch so verheißungsvoll dampfen.
Und Ghosa – ja, Ghosa wüsste sicher Antworten. Er ist so alt, er hat so vieles gesehen, gehört, erlebt. Aber meine Sorgen dürften für den Generalmarschall etwa so interessant sein wie die Bekenntnisse einer Sichelfliege. Und dann mache ich in seiner Gegenwart auch noch ständig alles falsch. Beim Fest haben sich sogar der Fürst und die Baroness ehrfürchtig vor ihm verbeugt. Ein Wunder also, wenn er überhaupt noch mit mir spräche. Doch dann wiederum – warum sollte ich eigentlich vor irgendjemandem in die Knie sinken! Ach, wie auch immer, es bleibt wohl dabei. Ich stehe allein. So war es immer, so wird es immer sein.
Ich erhob mich mühsam und begann, den Kahlen Hügel hinabzuwandern. Ich bemerkte einige Tierspuren im Boden, Bärentatzen, die sich in den schlammigen Grund gegraben hatten, auch die leichtfüssige Fährte eines Wolfes war zu sehen. Doch keines der Tiere hatte sich mir auch nur genähert, als ich gelähmt und bewusstlos auf der Hügelkuppe lag. So als hätte irgendetwas, irgendjemand sie davon abgehalten. Nicht, dass es mir unrecht wäre. Aber…jage ich wirklich selbst den Raubtieren solche Angst ein?
Meine Robe war noch immer klamm, und die Schuhe quietschten vor Nässe, also zog ich beides kurzerhand aus. Und musste plötzlich lachen. Wenn mich jemand so durch die Wälder wandeln sähe, nur mit einem dünnen Leibchen bekleidet und barfuss – die Frage, ob ich langsam den Verstand verliere, sie würde sich wohl erübrigen! Aber der Alte Wald ist tief und dunkel, er birgt viele Geheimnisse. Warum nicht auch meine.
Einige Stunden später hatte ich fast den Waldrand erreicht, in der Ferne schimmerten bereits die Ruinen nahe Arthurs Lager durch den immer lichteren Baumbestand. Längst hatte ich meine Gewänder wieder angelegt. Sicher ist sicher, diese bornierten Menschen des Breelandes ziehen so schnell die falschen Schlüsse! Da versperrte mir plötzlich ein Mann in abgerissener Lederrüstung den Weg. In der rechten Hand fuchtelte er mit einem Schwert herum, falls diese rostige Schneide einen solchen Namen überhaupt verdiente. Er fragte, was ich da mache, ein wehrloses Weib, so ganz allein im Wald. Ob ich mich nicht fürchten würde. Dabei grinste er hämisch und ließ die Spitze seiner Klinge langsam an meiner Robe herab gleiten. Ich lächelte sehr sanft und erklärte ihm, der einzige, der sich fürchten müsse, sei er selbst, wenn er nicht schleunigst verschwinde. Doch er lachte bloß, er wollte mir nicht glauben. Nun ist er Asche.
Und diesmal habe ich sie nicht eingesammelt, um sie an meinen Kamin zu stellen.
och, das mir niemand den Giselher unterschätzt. Der wird erst nervös, wenn jemand brennt oder und jemand sagte ihm vorher, dass das ungesetzlich sei.