Wie man einen Schatten bändigt

Immerschatten
6. Juli 2008 • Kommentare: 8

„Hey!“
Elya murrte leicht verärgert, hatte sie doch bis eben so gut geschlafen. Zumindest für ihre Verhältnisse. Bis, ja, bis dieses Pferd sie abermals anstieß und ihr solange mit feuchtem Lappen und blähenden Nüstern übers Gesicht fuhr, bis sie wieder wach war. Oh, dieses Tier!

„Lass mich schlafen.“ Wieder die Schnute im Gesicht. Dieses Tier raubte ihr noch den letzten Nerv.
„Hör mal, wenn ich schlafe, kann ich mich nicht um dich kümmern!“
Hätte sie doch nur ein älteres, vollständig ausgebildetes Tier gekauft! Nunja, der Goldbeutel hatte etwas anderes gesagt – immerhin war die Stute schnell. Schneller als sie zu Fuß – und erfüllte somit ihren Zweck. Und wieder hatte sie zwei Nüstern im Gesicht, die ihr die Haare von der Stirn pusteten. Elya seufzte leise. Was ein Tag.
 
Stundenlang, Ewigkeiten hatten sie gestritten, geschwiegen, wieder von vorne begonnen. Elya hatte nicht nachgegeben, nicht diesesmal. Sie hatte es Najisa gesagt, sie hatte es satt, zu laufen. Es war Zeit, stehen zu bleiben – nicht, um zurückzublicken, nur um endlich den Blick zu heben, nach vorn zu richten.
Schier unendliche male hatte Elya es ihrer Schwester erklärt, warum sie hier war, warum sie nicht zurück wollte, nicht mehr fort wollte – bis sie es schließlich selbst angefangen hatte, zu glauben. Erst dann war Laiwyn einsichtig geworden, hatte schlussendlich einer stillen Einigung zugestimmt.
„Beweise es mir.“
Und genau das würde sie tun.

 
„Du möchtest weiter, mh?“ Langsam stand sie auf, streckte sich ausgiebig. Ihr Blick flog über das Tal unter ihr, auf den großen Evendimsee. Ein leises Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, kaum dass sie sich in den Sattel geschwungen hatte. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, der Mittag würde noch einige Zeit auf sich warten lassen. Die perfekte Zeit bei angenehm kühler Vormittagsluft und dennoch wärmenden Sonnenstrahlen die Umgebung zu erkunden. Berge hatte sie vermisst, neue gesucht – und hier gab es sie. Elya richtete sich im Sattel auf, streckte sich erneut, reichte in ihren Beutel und kramte eines der vielen Honigbonbons heraus. Die des Fürsten waren bis auf eines, das sie aufsparte, leer.
Sie hatte neue bekommen – von einem Diplomaten. Ein angedeutetes Schmunzeln. Seit Najisa soviel zu arbeiten hatte und kaum Zeit im Sippenhaus verbrachte, waren die Abende dort sehr eintönig geworden. Herumsitzen lag ihr nicht, und doch hatte sie kaum etwas anderes tun können. Die Aufgabe des Fürsten hatte sie noch, doch waren er sowie ihr Auftragsziel die meiste Zeit in eigenen vier Wänden oder anderswo zugegen. Es war schwierig, zumal sie ohnehin kaum wusste, was tun.
 
Elya holte tief Luft, atmete mehrmals durch und richtete den Blick weiter hoch in die Berge. Seit der Diplomat zugegen war, waren die Abende nicht mehr ganz so eintönig. Kleine Gespräche ja. Seltsam, das war er, gefährlich, ohne Frage. Jedoch waren gefährlich und bedrohlich noch immer zwei unterschiedliche Dinge, das hatte sie bereits gelernt.
Ungeduldig scharrte die Stute unter sich mit dem Huf auf dem Boden, Elya lachte leise.
„Du hast keinen Namen.“ Eine schlichte Feststellung. Vielleicht sollte sie ihr einen Namen geben, wie man ihr einen gegeben hatte. Und sie wusste bereits einen, auch, wenn dieser vermutlich zuviel Bedeutung hatte, um ihn einem Tier zu geben. Doch es war ihres, ihr Pferd, es würde nie jemand anders besitzen, so wie es auch der Name getan hatte. An ihren eigenen Namen dachte sie dabei nicht.
 
Elya gab ihrem Pferd die Sporen, lies es rennen, laufen, wohin es wollte. Stundenlang, den Mittag über bis hinein in die Abendröte.
Am Ende jenen Tages würde es nach Hause zurückkehren – und sie mit ihm.

  1. Alejandro Salas sagt:

    Nach Hause…

  2. Lynne sagt:

    ooc: *Ely flausch* Dann müssen „Lynne“ und „Ely“ sich vielleicht nochmal treffen… ich wollte sie nicht vor dir verstecken. Bekommt „Lynne“ nicht noch eine Antwort? Auch, wenn sie die nicht gezwungen einfordern wird, um „Ely“ nicht noch mehr zu verschrecken…

  3. Yvaine Linassay sagt:

    oh, wie schön. Der Anfang ist am besten, wo das Pferd sie weckt 😀

  4. Elyawyn sagt:

    Die Antwort kriegt Lynne auch noch, sie sucht verzweifelt nach einer guten. Und ist gerade dabei eine zu finden 😀 Pferde sind toll. Hrhr.

  5. Alrich sagt:

    ohh.. wie schön!

  6. Lynne sagt:

    ooc: *summt „Mozart“ vor sich hin*

    „Wie wird man seinen Schatten los?
    Wie sagt man seinem Schicksal nein?
    Wie Wie kriecht man aus der eig’nen Haut?
    Wie kann man je ein and’rer sein?
    Wen soll man fragen, wenn man sich selber nicht versteht?
    Wie kann man frei sein
    Wenn man seinem eig’nen Schatten nie entgeht?“

    *murmel* Ely’s Theme?

  7. Elyawyn sagt:

    Irgendwie… ja. Oo

  8. Lintflas sagt:

    *nickt Lynne zu* Das trifft es wohl ziemlich gut.^^

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