Minas Faer

Die Liste war beinahe fertig; nur noch wenige Namen fehlten auf ihr. Langsam und bedächtig schrieb Najisa die feinen Buchstaben auf das Pergament. Namen, deren Gesichter sie kannte; Namen, dessen Stimme sie durch ihren Kopf hallen liess während sie die Feder führte; Namen, die nicht einfach nur Namen waren.

„Spring!“

Eine letzte Zeile noch. Doch hier stockte die Feder. Es wäre so einfach. Mit einigen wenigen Handbewegungen stünde auch ihrer auf dem Pergament. Doch war sie dem gewappnet?

„Ich hab Angst.“

Krieg kannte sie schon. Zumindestens Teile davon. Ihr Vater hatte seine militärische Strenge immer mit wehenden Fahnen über Kandira und sie gehalten. Doch diesmal waren es nicht nur Erzählungen von Schlacht, Entbehrung und Tod, sondern der Schritt durch die Tür nach draussen in die andere Welt. Eine Existente, von der Najisa nur ahnen konnte, dass es sie gab.

„Vertraust du mir?“

Richtig oder falsch. In diesem Fall war das Mädchen mehr als ratlos. In ihrer Hand lag die Verantwortung für alle Leben, deren Namen sie in der Liste aufgezählt hatte. Und ihr Eigenes?

„…Ja.“

Eisig kalt schlug das Wasser seine Wellen, umfing sie mit festen Griff und schien sie nicht mehr loslassen zu wollen. Grausam und erbarmungslos riss es sie einen Moment lang mit sich, dass ihr fast sie Sinne schwanden. Und als sie auftauchte, nach diesem Kampf mit der Ohnmacht und Hilflosigkeit, schien die Sonne warm, reichte ihr die Hand und nahm sie mit.

Die Feder fand ihren Weg zurück ins Tintenfass. Der Glanz der Buchtstaben schwand nach und nach, wurde matt und festigte sich. So sollte es also sein. Najisa faltete das Pergament bedächtig, mit kurzen Blick die Zeilen absuchend, nach seinem Namen. Sie hätte ihn einfach weglassen können. Doch dann würde der Fürst sie sicherlich massregeln; er war waffentauglich, ohne Frage. Wie einfach alles wäre, wenn…

Ihren Namen suchte sie vergebens.