Liebe Ioreth,
es ist seltsam Dir zu schreiben, werde ich diesen Brief doch nicht abschicken können. Vor Wochen schickte ich den letzten Brief, zusammen mit einem Boten, der Dich finden sollte. Ich habe bisher weder von ihm noch von Dir Nachricht, sodass ich nur hoffen kann, dass du wohlauf bist.
Hier nehmen die Dinge ihren Lauf. Das Haus ist zur Ruhe gekommen und scheint sich damit abgefunden zu haben, dass es einen Krieg vorzubereiten gilt. Der Hauptmann und seine Gardisten mühen sich, neben der Arbeit als Garde für das Fürstenhaus, auch eine militärische Effizienz zu erreichen. Alejandro ist weitestgehend wieder hergestellt, zumindest hoffen das alle. Niemand weiß, ob er sich diese Krankheit namens Schattenpilz zugezogen hat.
Galcyll Stillwilnd, jener Elb der immer wieder rätselhaften Rat für das Haus bereit hält, wusste auch dieses Mal einen: Lynne und Iyrawen haben sich auf die Suche nach einem Mann namens Solan Wilder begeben, der möglicherweise klären kann, ob und inwiefern Alejandro noch in Gefahr ist. Ich hoffe, beide begeben sich nicht unnötig in Gefahr, ich traue diesem Mann nicht und seinen Tränken ebenso wenig.
Bisher scheint Alejandro als einzige Folge jenes unsäglichen Abends ein Auge verloren zu haben. Was wenig ist, wenn man bedenkt, dass es sein Leben hätte sein können. Alejandro ist wie eh und je. Er blickt nach vorne und ich bin sicher, er hätte einen passenden Kommentar für diese zugegebenermaßen sehr direkte Metapher.
Ich glaube, Lynne gibt ihm die nötige Kraft, weiterhin der Fürst für dieses Haus zu sein. Ihre Schwangerschaft ist inzwischen für jeden sichtbar; aber ebenso wie sie Alejandro die nötige Kraft gibt, wird er alles daran setzen, sie auf das Kommende vorzubereiten. Immerhin wird sie die Frau des Fürsten sein, und so wird es sich kaum vermeiden lassen, dass sie im Mittelpunkt des Hauses steht. Ioreth, ich wünschte ich könnte Lynne diese Bürde abnehemen. Zumindest erscheint es mir, dass es ihr eine ist, denn bisher suchte sie stets die Ruhe und die Abgeschiedenheit. Es gibt wenige Menschen, die Lynne wirklich kennen…
Atherton sehe ich inzwischen nicht mehr ganz so häufig. Meist ist er bei Ardeyn Falkenauge. Ich glaube ich habe Dir von ihm geschrieben. Der Waffenmeister diente schon unter Alejandros Vater der Familie und kennt Atherton bisher nur als „den Bastard“. Wie immer nimmt Alejenandro seine Aufgabe ernst. Und so werde ich erst die Frau von Atherton Salas, wenn dieser sich in den Augen des Fürsten von Minas Faer bewiesen hat. Es wird Ardeyn zukommen, genau dies zu überprüfen. Mein Vater wird, dessen bin ich sicher, erst dieser Verbindung zustimmen, wenn er weiß, wer Graf Atherton Salas ist. Also habe ich auch seine Entscheidung abzuwarten. Ich würde gern Atherton in irgendeiner Form helfen, diese Aufgabe aber hat er allein zu bestehen…
So warte ich also und sehe dem Treiben des Hauses zu, während der Herbst ins Land zieht.
Fühle dich umarmt, liebe Frundin, wo immer du sein magst
Ellena
DER HERBST?! *Atherton in Postion schieb*