Interview, Teil 1

Heridan Flusswieser
5. Dezember 2010 • Kommentare: 4

In Jahren…

Heridan war alt. Das merkte man nicht nur daran, dass seine Haare mittlerweile weiß waren, sondern auch daran, dass er seinen Stab nun ernsthaft als Stütze nutzte und nicht nur scherzhaft, wie er es getan hatte, wenn Nephi ihn damit aufgezogen hatte, dass sie erste graue Haare fand.

Heridan war nach wie vor Heiler. Das merkte man nicht nur daran, dass es an dem Schild seines Hauses stand, sondern auch daran, dass er nach wie vor Roben trug, die vor Taschen und darin enthaltenen Arbeitsmaterialien nur so strotzten.

Heridan war nach wie vor Heridan. Das merkte man nicht nur daran, dass er von prinzipiell allen so genannt wurde, sondern auch daran, dass er Schüler seinen Stock spüren ließ, wenn diese ihn „Magister“ nannten.

Heridan war nach wie vor zufrieden. Das merkte man eigentlich immer. Man merkte es, als Cinlir ihm nach dem Ende des Krieges erlaubte, seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Man merkte es, als man ihm anbot, Vorträge an einer Schule zu halten. Man merkte es, wenn ein Schüler herausfand, dass er gar kein Gondorer war und Fragen stellte. Und man merkte es, wenn er daraufhin alle Schüler einlud, es diesem einen Gleich zu tun.

„Ihr habt das alles tatsächlich im Breeland gelernt?“
– „Ja. In einem kleinen Dorf, was kreativerweise den Namen ‚Schlucht‘ trägt. Bei dem Heiler, der von allen nur Fuhrgut genannt wurde“

„Aber ich habe gehört, dass doch im Breeland nur Bauern gibt. Wie kommt denn da ein Gelehrter her?“
– „Gute Frage – wenn Du jemals eine Antwort findest, lass es mich wissen. Das Breeland ist in keiner Weise so, wie man es sich vorstellen kann, ohne es erlebt zu haben. Es ist verdorbener, hinterhältiger, dümmer, ehrlicher und teilweise um Längen intelligenter. Und ja, das widerspricht sich. Einigen wir uns einfach darauf – es ist anders. Als Gelehrter oder jemand, der irgendwann mal so was ähnliches zu sein versucht, hat man es vor allem mit der allseits bekannten Dorfjugend schwer. Man ist ein beliebtes Ziel für Scherze, für Prügel. Eben weil man anders ist.“

„Aber warum denn das?“
– „Ich habe eine lange Zeit vermutet, dass es daran liegt, dass ich etwas falsches Mache. Schließlich habe ich als einziger im Dorf etwas anderes getan als Holz zu hacken, zu saufen oder jedem Frauenhintern nachzuglotzen. Man hat sich viele Dinge über mich erzählt und verbreitet – vor allem wegen dem letztgenannten der drei Punkten, ich nehme an eure Kreativität enttäuscht mich da nicht. Knapp fünfzehn Jahre später habe ich erst rausgefunden, was das eigentliche Problem der Leute war. Angst.“

„Angst? Wieso das?“
– „Es gibt das Sprichwort: Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. Sie hatten Angst, weil ich mich in gewisser Hinsicht ihrer Greifbarkeit entzogen habe. Sie konnten mir nichts mehr vormachen. Sie konnten mich nicht verstehen. Keiner von ihnen hat jemals erraten können, was in meinem Kopf vorging. Was ich über jemanden dachte. Was ich über eine Handlung dachte. So etwas macht Angst, wenn man etwas nicht verstehen kann, von dem man das Gefühl hat, man sollte es. Ich war für sie unberechenbar.“

„Aber haben so sture Bauern überhaupt die Anweisungen befolgt, die ein Heiler ihnen gibt?“
– „Ich habe nie jemandem irgendwas befohlen. Ich habe nie jemanden zu etwas gezwungen. Ich habe ihnen eine Empfehlung ausgesprochen und sie dann vor der Wahl gelassen – entweder, zu tun, was ich empfohlen hab. Oder eben nicht. Nur sollte sich niemand bei mir beschweren, wenn es schlimmer wird, weil er meine Behandlung ablehnt. Das ist wichtig. Manche Leute, sind zu Stolz, um Befehle anzunehmen. Manchen Leuten darf man nichts befehlen. Aber jeder ist für Ratschläge empfänglich. Jeder kann einen Ratschlag annehmen ohne sein Gesicht zu verlieren. Deshalb ist das immer der klügste Weg, so vorzugehen. Und so empfehle ich euch jetzt, die Fragerei für Heute sein zu lassen, ihr sollt schließlich was lernen – das mit den Fragen können wir ein andernmal fortsetzen.“

Heridan war nach wie vor Heridan. Das merkte man daran, dass seine Ratschläge Gehör fanden.

  1. Cyrah sagt:

    Spitzenklasse, freue mich darauf, wenn sie ihn weiter mit Fragen löchern.

  2. Giselher sagt:

    So eine Art Heridan-Katechismus, gefällt mir sehr! Ich habe den Eindruck, der alte Heridan und der alte Giselher wissen so ein oder zwei Wahrheiten über dieses ferne Land 😉

  3. Heridan sagt:

    Wir sind ja auch die Elitebreeländer aus Gondor.

  4. Gwaethil Eglainion sagt:

    Yeee! Heridan lebt! Sogar in der Zukunft.

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