Vor Jahren…
Die Stützstange des Lazarettzeltes bog sich kaum merklich unter dem Gewicht des Mannes, der mit dem Rücken dagegen lehnte und missmutig zu den Verletzten, Pflegern und dem Medicus sah. Die Geruchsmischung, die in der Luft im Zeltinneren allgegenwärtig war, war nicht nur überall, sondern auch äußerst widerwärtig. Cinlir Winthallan hielt sich davon ab nachzudenken, was diese Gerüche alles waren. Kaum angenehm, davon war auszugehen.
„Euer Gnaden. Nach Einschätzung des Medicus sind die Verwundeten frühestens in einer Woche transportfähig.“
Der Herzog nickte. „Wir warten.“
„Milord, die verbleibenden Männer werden ungeduldig. Sie wollen zurück zu ihren Familien.“
„Ich weiß, Evres.“
Evres Ladaris – der Name Cinlirs Leutnants. Sie hatten die letzten Jahre gemeinsam Schlachten geschlagen. Aber fern vom Schlachtfeld hatten sie einander gemieden. Die beiden Männer waren sich stillschweigend einig, dass sie wohl nur hier wirklich miteinander funktionierten. Aber hier lagen sie dafür auch exakt auf der gleichen Wellenlänge. Evres Ladaris, das war der einzige Mann, den Cinlir als eine Art Freund bezeichnet hätte, sah man vom Sohn des Waffenmeisters, Ciro, ab.
Eine Weile schwiegen beide. Sie sahen zu, wie einer der Pfleger an eine Liege heran trat, den Soldaten darauf betrachtete, kurz dessen Hals berührte und, die Lippen zusammenpressend, die Decke ganz über ihn zog, somit auch seinen Kopf bedeckend. „Der dritte heute Nacht.“, kommentierte Cinlir ernst.
„Das ist-“
Cinlir schnitt Evres das Wort ab. „Nichts ungewöhnliches. Der Krieg hat seinen Preis.“ Womit er nur aussprach, was beide wussten. „Aber sie verdienen, dass man sich die Zeit für sie nimmt, bis sie gehen.“
Der Blick seines Freundes jedoch wurde noch einen Hauch ernster, nahm einen mahnenden Charakter an. „Euer Gnaden… Ich weiß, warum ihr darauf zu warten wünscht.“
Cinlir schwieg.
„Wenn ihr zurückkehrt, werdet ihr Hochzeit feiern dürfen.“
Cinlir schwieg weiter.
„Man sagt, sie ist wunderschön, Milord…“
Damit war die Geduld seines Herrn auch schon aufgebraucht. „Sie ist ein Kind, Evres!“
Im Gegensatz zu den anderen Männern, die Cinlir oft umgaben, hatte Evres den Anstand nicht betroffen das Gewicht leicht zu verlagern. Sein Blick ruhte weiter auf seinem Herrn. „Sie ist volljährig, Herr. Dass ihr sie gesehen habt ist viele Jahre her.“
Sein Herzog gab sich alle Mühe die Wut wieder unter Kontrolle zu bringen. Leise knirschten seine Zähne gegeneinander.
„Euer Gnaden… Die Toten, die ihr hier beerdigen könnt um nicht nach Hause zurückkehren zu müssen, werden euch bald ausgehen…“
Leutnant Ladaris hatte nicht Recht behalten. Die Toten gingen weit weniger schnell aus, als es allen lieb gewesen wäre. Irgendwie war es einem Trupp gelungen sich an den Kundschaftern und Spähern vorbei zu mogeln. Und nur zwei Nächte später hatten sie zugeschlagen.
Der Angriff war schnell und blutig. Er konnte abgewehrt werden, wenn auch nur knapp. Der Aufenthalt, den man hier nun also genoss, zog sich zwei Wochen länger hin.
Jedenfalls für die Verwundeten, die den Heimweg so noch nicht antreten konnten. Alle anderen fanden sich schon bei Morgengrauen des nächsten Tages wieder auf dem Rücken der Pferde und sprengten zurück gen Heimat, so schnell die Hufe der Tiere sie eben tragen mochten.
Der letzte Tote, den Cinlir dort begraben hatte, war sein Freund. Für ihn ritt er schnell zurück. Für ihn würde er sich diese fremde Frau, die er nur als Kind kannte, noch einmal ansehen. Mit den Augen eines Mannes, dessen Freund ihm einen guten Rat gab.
*schnüffs*
Der Krieg macht Leichen aus uns allen. Sehr schön geschrieben.
Aber mal so nebenbei: Stirbt jeder so schnell, der Cinlir Ratschläge gibt?
Gut möglich… >:D
*snürfel*
Ich möchte vehement dagegen protestieren, dass Cinlirs Ratgeber schnell sterben müssen *schluck*
Ich ja im Grunde auch.
Lieber schnell als langsam und qualvoll, eh? *g*