„Da siehst du, was dabei herauskommt, wenn du deine schlauen Ideen durchführst, Elya.“ Erelya starrte zornig ihr Spiegelbild an, ein amüsiertes Schnalzen mit der Zunge, war alles, was sie hörte. Noch immer tat ihr der Kiefer weh, der abgebrochene Zahn schrie in hellsten Tönen Schmerz und noch immer hatte sie das Säckchen in der Hand, das ihr Marathil nur kurze Augenblicke zuvor gegeben hatte.
 
„Warum hast du-„
„Strafe muss sein, Elya. Du weißt ganz genau, warum.“
Ein grelles Klingeln in den Ohren, Kopfschmerzen, die Übelkeit, die sich langsam ausbreitete. Elya lehnt sich zurück, mit dem Rücken gegen den Felsen, vor dem sie saß, und ließ einen verklärten Blick über den See schweifen, atmete die kühle Nachtluft bewusst tief ein und langsam wieder aus. Es half nicht.
„Warum.. musstest du ihn nur so reizen, Lai.. ich wollte doch nur spazieren gehn-„
„Hör auf mit dem Gejammer und fang an zu denken. Du weißt weshalb. Und du weißt, was passieren wird, wenn du hier nicht verschwindest.“
„Mir gefällt es h-„
„Wir gehen.“ Wieder war Laiwyn zornig, hoffte, der Schmerz würde Elya klein bekommen.
 
Ihre Blicke fielen auf das kleine Säckchen in ihrer Hand. Der Inhalt? Schmerzlindernd. Warum hatte er es ihr gegeben? Wildgeist hin oder her, der Schlag hatte gesessen – und ihr einen Zahn abgebrochen. Mistkerl. Zuerst treibt er sie in die Enge, schlägt ihr die Faust ins Gesicht, dann treibt er sie in die Enge und gibt ihr Schmerzmittel um zu helfen.
Was zum Henker war mit dieser Welt nur los?
Und was zum Henker war mit diesem Marathil los?
Im Gegensatz zu Laiwyn wollte Erelya es definitiv nicht herausfinden. Langsam stand sie auf, taumelte und lehnte sich wieder an den Felsen. Wieder ging ihr Blick zu dem Säckchen in ihrer Hand. Ohne auf Laiwyns Drohungen und Proteste zu achten, griff sie hinein, holte eines dieser schmerzlindernden Dinger heraus, drehte es zwischen den Fingern.
„Das wagst du nicht!“
Erelya verengte die Augen, blickte trotzig in ihr Spiegelbild und schluckte das kleine, pillenähnliche Teil einfach ohne Umschweife. Nicht einmal gegen einen Unbewaffneten konnte sie sich wehren. Es wurde Zeit, zu lernen, Zeit zu trainieren. Alleine schon, um Lorietta eines Tages ausknipsen zu können, Erelya wusste, dass sie sie wieder sehen würde. Sie – nicht ihre Schwester.
„Elende! Wozu habe ich dir gegen diese blonden Kröte geholfen?!“
„Hast du.. nicht..“
 
Laiwyn riss erstaunt die Augen auf. Widerworte war sie nicht gewohnt – dieses Umfeld tat Erelya nicht gut, sie wurde mutiger. Frecher. Unverschämt. Elya suchte sich ein kleines Eck hinten am See, wickelte sich in ihren Umhang, legte sich in den Schatten nieder ein wenig zu ruhen. Die Schmerzen ließen langsam nach – Marathil hatte also nicht gelogen.
Nicht einmal, als sie nach ihm getreten hatte, wohl traf, nicht einmal, als sie ihm mit ihrer Klinge einmal quer über – und durch – das Gesicht gefahren war, war er zurückgewichen. Helfen, hatte er gesagt, das wollte er. Helfen. Und ließ sich dazu von ihr treten, fortstoßen, verletzen. War das Hilfe? Lai hatte immer behauptet, ihr zu helfen, ihr jedoch immer die Konsequenzen überlassen – wie dieses mal. War das Hilfe? Elya schüttelt den Kopf, drehte sich bauchlings und vergrub das Gesicht in den Armen. Nicht drüber nachdenken, es gab Wichtigeres.
 
Einen Auftrag hatte sie noch zu erfüllen. Wo waren Antain und dieser Elmion den ganzen Tag gewesen? Still, leise, hoffte sie, Antain würde ihr versprechen halten – oder es so brechen, dass sie es nicht erfahren würde, um dem Fürsten die schlechte Nachricht überbringen zu müssen. Irgendwie, aus einem ihr selbst unbekannten Grund, mochte sie dieses halbe Spitzohr. Und diese Gräfin und dieser Kerl mit dem großen Hut und den vielen Instrumenten – ein Auge musste sie wach haben. Zuvieles war in dieser Zeit im Gange, langsam aber sicher sollte sie ihre Prioritäten setzen. Und diese lagen nicht bei ihr selbst – eher bei ihrem Geldbeutel.
 
Ihre Gedanken drifteten weiter, zurück zu Lorietta, Ceolay, diesen Söldnern und diesem ganzen verfluchten Haufen. Sie konnte das Zusammentreffen nur hinauszögern, nicht verhindern. Lorie hatte allen Grund, äußerst wütend zu sein, Elya wollte sie so nicht erleben. In ihrem Magen verkrampfte sich alles bei diesem Gedanken; sie zwang sich, an etwas anderes zu denken um endlich Schlaf zu finden.
In zwei Tagen musste sie ihre Laute aus der Reperatur beim Musikanten in Guruth abholen. Das war immerhin ein Grund, sich auf einen weiteren Tag still zu freuen.
Und – sie durfte nicht vergessen, Loriettas Adresse in der Breelandsiedlung bei Lisbett zu hinterlegen – sollte sie irgendwann nicht mehr zurückkommen, und irgendjemand nach ihr suchen wollen, so sollte er zumindest wissen, wo.
„Dummes Kind, als ob das irgendwer tun würde.“
 
Laiwyns Spott traf tiefer als erwartet.

  1. Najisa sagt:

    Laiwyn ist so gemein *böse guck* Und sehr nice geschrieben, Dönerwetter 🙂

  2. Alejandro Salas sagt:

    Tsis. Dabei sollte sie’s doch besser wissen. *g* Ich mag die zwei. 😀

  3. Sanguisa sagt:

    Lorietta, das erinnert mich an was 😀

  4. Liniath sagt:

    Wunderbar geschrieben und ich finde die streiterein immer toll 😀

  5. Lynne sagt:

    ooc: Herrlich, Ely! Liebend gerne gelesen!

  6. Elyawyn sagt:

    Hey.. wow. Danke für die lieben Kommis, das motiviert ja richtig, die beiden noch weiter streiten zu lassen *kicher*
    Und San.. nein! ><

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