Die Sonne stand hoch über Tinnudir, es war um die Mittagszeit, als sich Yvaine auf ihr Pferd schwang und gemächlich auf die Brücke zuritt. Sie hatte einen Auftrag bekommen, der zuerst einfacher klang, als er wahrscheinlich war… Weit im Norden sollte sich ein Räuberhauptmann herumtreiben, den sie beseitigen sollte. Die Menschen in Evendim wurden der Räuberplage allein einfach nicht mehr Herr. Also machte sie sich etwas missmutig auf den Weg, denn nach einer Schlacht mit diesen Gesetzlosen stand ihr nun wirklich nicht der Sinn. Der Tag versprach schön zu werden, Libellen schwirrten umher, einige Rehe sahen ihr verwundert nach, als sie Cessaï querfeldein nach Norden trieb. Je weiter sie ritt, desto dichter wurde der Wald, bis kaum noch ein Sonnenstrahl den Boden berührte. In Erwartung einer Bande grimmiger Zeitgenossen zügelte sie ihr Pferd und ritt langsam mit gespitzten Ohren weiter, bis sie an einen kleinen Weg kam. Fast lautlos sprang sie aus dem Sattel und hielt Cessaï am Zügel fest. Die Stute schien etwas zu wittern, verrieten doch ihre weit geblähten Nüstern, dass irgendetwas nicht stimmte… Yvaine kniete sich nieder, um den Weg auf Spuren zu untersuchen, als Cessaï plötzlich in Bewegung geriet. Nervös begann sie zu tänzeln und die Jägerin brauchte einige Zeit sie zu beruhigen. Die Räuber schienen wohl nicht mehr weit zu sein… Leise, jeden Schritt vorher genau planend, ging sie weiter, das unruhige Tier am Zügel hinter sich herziehend.
Urplötzlich kam ihr mit panischem Blick ein Junge entgegen gerannt, er konnte kaum älter als zwanzig Winter sein. Nur nach wenigen Sekunden war auch der Grund für seine Flucht zu erkennen: eine Gruppe von Räubern verfolgte ihn mit gezückten Messern. Yvaine genügte ein Blick, um zu wissen, um wie viele Gegner es sich handelte. Sie schwang sich in den Sattel und ließ einen Pfeilhagel auf die Verfolger niederprasseln, woraufhin einige verwundet zu Boden gingen. Vier weitere liefen ohne auch nur zu zucken an ihr vorbei dem Jungen hinterher. Mit einem lauten Wiehern ging die Stute auf die Hinterbeine und preschte den Räubern hinterher. Sich nur mit den Beinen am bebenden Körper des Tieres festhaltend, stützte sich die Jägerin aus dem Sattel und legte den Bogen an. Ein gezielter Schuss in den Nacken setzte einen Räuber außer Gefecht, welcher den Jungen fast erreicht hätte. Die Jagd durch den Wald dauerte jedoch nicht mehr allzu lang an, denn der Flüchtende stürzte, wohl aus Erschöpfung und die verbliebenen drei Räuber warfen sich grölend auf ihn, noch bevor Yvaine auch nur den Hauch einer Chance hatte ihm zu helfen.
Mit einem wütenden Aufschrei ritt sie einen engen Bogen, wobei sie weit mit ihrem Schwert ausholte und es krachend auf die Angreifer nieder gehen ließ. „Nîn Gûrbaudh anle!“ Ein letztes Zucken durchfuhr die Körper, die auf dem Waldboden zusammengesunken waren und Zorn blitzte den dunklen Augen der Jägerin auf. Sie ließ das blutige Schwert fallen und sprang aus dem Sattel. Cessaï schüttelte immer noch den Kopf, als würde ihr die Situation gar nicht gefallen und knabberte verwirrt an einem Zweig. Yvaine kniete sich zu dem gestürzten Jungen und wischte ihm die blutigen Haare aus dem Gesicht. Eine große Platzwunde zog sich über seine Stirn und eines der schmutzigen Messer steckte noch immer in seiner Seite. Vorsichtig drehte sie ihn um, doch als sie sah, dass ihre Hilfe zu spät kam, ließ sie ihn leblos auf dem Waldboden sinken. „Díheno enni! Telin an raeg Lû…“ Yvaine wischte sich mit dem Ärmel eine Träne fort, erhob sich und nahm ihr Schwert auf. Nördlich der Grenze von Evendim soll es ein kleines Dorf geben, hatte man ihr gesagt. Sie konnte den Toten nicht hier im Wald zurücklassen und zur Feste Forod zurück war es ein weiter Weg… Mit einem entschlossenen Blick hievte sie den Jungen auf die die Stute und führte diese am Zügel wieder zum Weg zurück. Mit etwas Glück waren die Räuber zurück in ihre Löcher gekrochen und leckten dort ihre Wunden. Wenn sie schnell genug waren, konnten sie den Pass ungesehen überqueren. Der Blick der Jägerin huschte unaufhörlich zwischen den Bäumen hin und her, doch es ließ sich niemand blicken. Leise gingen sie immer weiter nach Norden, bis von weitem ein Tor zu sehen war. Das musste der Übergang sein, dahinter sollte das Dorf liegen, wo sie den Jungen hinbringen wollte. Yvaine beschleunigte ihren Schritt etwas und zog Cessaï mit sich.
Ein plötzliches Knacken im Wald hinter sich ließ sie herum fahren. Der erste Räuber schaffte es nicht einmal einen überraschten Ausdruck auf sein hässliches Gesicht zu legen, so schnell hatte ihn ihr Pfeil getroffen. Sie überlegte nicht lange, schwang sich in den Sattel, worauf die Stute beleidigt ob des zusätzlichen Gewichts zu wiehern begann und sich mürrisch in Bewegung setzte. „In noro lim, Cessaï! Anlim!!!“ Die Stute schien nun doch zu verstehen, dass die Situation etwas mehr Eile verlangte und galoppierte los. Nur mühsam konnte Yvaine den Jungen festhalten, doch die Verfolger fielen immer weiter zurück. Als sie außer Sichtweite waren, ließ sie Cessaï ihren Schritt verlangsamen und sprang wieder aus dem Sattel, um neben ihr zu laufen. Plötzlich wurde sie sich ihrer Umgebung gewahr und blickte sich verwundert um. Ihr Atem kam in kleinen gekräuselten Wolken aus ihrem Mund und sie spürte, wie sich die Kälte durch das leichte Leder ihrer Stiefel zu fressen schien. Feine Schneeflocken fielen durch die hohen Bäume und nach nur wenigen Minuten fanden sie sich in einer vollkommen weißen Landschaft wieder. Yvaine fröstelte, doch die Stute schienen die sinkenden Temperaturen nicht zu stören. Zwischen den Bäumen konnte sie riesige Elche ausmachen und einige Schneeluchse sprangen über den Weg. Von weitem waren Glocken zu hören, die läuteten, als wären sie an ein Tier gebunden, um es nicht aus den Augen zu verlieren. Eine am Wegesrand aufgestellte Fackel ließ sie vermuten, dass das Dorf nun nicht mehr weit war und tatsächlich sah man nun einige Feuerstellen und merkwürdig gekleidete Menschen schlitterten auf dem gefrorenen Boden hin und her, als würden sie normal laufen. Mit ihren Lederstiefeln hatte Yvaine Probleme überhaupt normal stehen zu können und auch Cessaï wirkte mittlerweile etwas unsicher in ihren Schritten. Ein in Pelze gehüllter Mann kam ihr lächelnd entgegen und hielt ihr die Hand hin, welche sie mit einem dankbaren Lächeln krampfhaft festhielt, um nicht hinzufallen. Er sagte einige Worte in einer merkwürdigen Sprache zu ihr und sah mit einem besorgten Blick auf den Rücken der Stute. Er legte eine Hand an den Hals des Jungen und zuckte mit den Schultern. Im Dorf angekommen wies er sie an sich an eines der Feuer zu setzen und nahm Cessaï und den Jungen mit sich. Eine Frau reichte ihr ein großes Fell, in welches sie sich zitternd einhüllte und dann erschöpft am Feuer zusammensank…
toll geschrieben Yvaine, macht spass von dir zu lesen 🙂
😳 vielen Dank, Elmion
ooc: Sehr schön und spannend. Freut zu lesen.