Manouche

Yvaine
17. Juli 2008 • Kommentare: 3

Eine fast erschreckende Ruhe lag über dem Ufer des kleinen Flusses. Die Dämmerung zog ihre letzten weißen Nebelschwaden wie Geister einer anderen Welt über die Zelte und Wagen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die ersten Sonnenstrahlen sich mühsam über den Horizont wälzten, um die Wiese und alles was auf ihr lebt wieder vom Grau der Nacht in tausend Farben zu tauchen.

Tau schlug sich auf den Gräsern nieder, das leise Plätschern des Wassers an der kleinen Anlegestelle hatte diesen merkwürdig einschläfernden Rhythmus. Kleine Qualmwolken stiegen noch von den Feuerstellen auf, Töpfe lagen verstreut daneben und ein alter müder Hund schnüffelte nach Überresten des abendlichen Festes. Vom Dorf in der Ferne war weder etwas zu sehen noch zu hören, bis auf den Hahn, der in diesem Moment lauthals verkündete, dass er, wie jeden Morgen, der erste war, der die Sonne zu Gesicht bekommen hatte. Fast zeitgleich blinzelte auch am Ufer des Flusses der zwischen den Töpfen lungernde Hund in Richtung Horizont und kniff mit einem leisen unzufriedenen Knurren die Augen zusammen, als ihn die ersten Strahlen trafen. Müde erhob er sich und trottete langsam den Weg entlang zurück in Richtung Dorf, als aus den Zelten erste Geräusche wahrzunehmen waren, die nicht mehr nach monotonem Schnarchen klangen.

Hier und da war ein nicht gerade verhaltenes Gähnen zu hören, irgendwo fing ein Kind an zu jammern, weil es nach seiner allmorgendlichen Milch verlangte und vereinzelt schleppten sich nun von der Nacht noch zerknitterte Gestalten zum Fluss hinunter. Die Sonne schob sich unaufhaltsam immer weiter über den Wald und sendete ihre wärmenden Strahlen auf die Lagerstätte, auf der sich langsam alles in Bewegung setzte. Eine Gruppe von Kindern rannte laut lachend zwischen den Zelten umher, allesamt kleine, dunkelhäutige und schwarzhaarige Wesen, die mehr an Tiere als an Menschen erinnerten, wie sie so durch die Asche der Feuer tobten und gleich darauf, durch das laute Brüllen eines Mannes aufgefordert, kreischend ins Wasser stürmten.

Frauen mit wallendem schwarzen Haar und in bunte Gewänder gehüllt, viele mit kleinen Kindern in Tüchern auf den Rücken gebunden und alle mit Unmengen an klimperndem Schmuck behangen, machten sich daran die Feuerstellen zu säubern, Töpfe zum Fluss hinunter zu tragen, Decken und Kleider einzusammelte. Hin und wieder fanden sie in der Asche eines dieser grauen Wesen, das sich noch vor dem Waschgang sträubte und jagten die Kinder, die sie mit strahlend weißen Zähnen anlachten, zum Fluss. Die Männer bauten die Zelte ab, beluden Planwagen, zäumten Maultiere auf und trieben die Ziegen zusammen, die laut blökend ihren Unmut über den kommenden Abmarsch kundtaten. Selbstgefertigte Instrumente wurden an die Wagen gehängt, Decken auf die Sitzflächen gelegt, alles, was irgendwie brauchbar erschien, wurde ersteinmal mitgenommen, um es im Notfall auf dem nächsten Markt zu verscherbeln.

Der Mann, der die Kinder ins Wasser getrieben hatte, jagte sie nun mit einem ebenso lauten Gebrüll wieder hinaus und quer über die Wiese zu den Wagen. Laut jubelnd sprangen die kurzbeinigen Wirbelwinde, von denen eigentlich nicht mehr zu sehen war als eine Bunte Hose oder ein bunter Rock und ansonsten viele zottelige schwarze Haare, auf die Wagen. Sie legten sich auf die dort ausgebreiteten Decken und ließen die Beine hinabbaumeln, als sich die Karawane langsam in Bewegung setzte.

Fünf Planwagen, die von Maultieren gezogen wurden, eine Herde Ziegen, mehrere streundende Hunde, die die Gruppe meist nur ein Stück des Weges begleiteten und dann wieder verschwanden setzten ihre Reise fort. Wohin sie ihr Weg führte, wusste niemand so genau. Weiter. Sie zogen immer weiter. Zum nächsten Dorf, zum nächsten Markt, irgendwohin, wo man für Musik, selbstgefertigte Instrumente und Schmuck etwas Geld bekam und etwas zu essen. Zurück blieben eine plattgetrampelte Fläche an einem kleinen Fluss und kleine Qualmwolken, die von den Feuerstellen aufstiegen. Vom letzten Wagen, der hinter der Biegung des Weges verschwand, baumelten sechs kleine braune Kinderbeine… und zwei blasse…

  1. Lintflas sagt:

    Wirklich schön, wie sich das Geschehen und die Idylle vor dem inneren Auge aufbauen. Ich mag sowas.
    Zu wem wohl die blassen Kinderbeinchen gehören… Vielleicht lernen wir sie ja mal kennen. 😀

  2. constancia sagt:

    So etwas habe ich als Kind mal gesehen. Ich habe noch lange daran denken müssen und mir gewünscht die weissen Beinchen gehörten mir

  3. Zarroc sagt:

    was ist nur mit mir los heute?? Bin heut sehr empfänglich für sowas…..sehr schön. 😉

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