Mit 77 Jahren…

Theowalt Ategon
4. Mai 2010 • Kommentare: 4

In Jahren…

In seinem mehr als großen Wohnbereich im Anwesen des Fürsten, das Theo bezogen hatte, nachdem der gesamte Haushalt nach Gondor, genauer nach Minas Faer gezogen war, saß der nun mehr Mitte siebzig jährige Kämmerer an einem Sekretär. Über selbigen stand, im Regal, das Buch seiner Familie und seine Tagebücher die sich mit der Zeit angesammelt hatten. Zu Anfang waren es nur Notizen und einfache Blätter gewesen. Doch nach und nach begann Theo die losen Blätter zu ordnen und binden zu lassen. Drei, zwei fingerbreite, Bücher waren so in den letzten Jahren entstanden. Ein weiteres lag geöffnet vor ihm. Die Feder, wie seit Jahren waagerecht darüber und rechts oberhalb des Buches sein Tintenfass.

Theo war alt geworden. Seine Gelenke schmerzten häufig, und auch das Sehen war mittlerweile meistens eher ein Raten geworden.
Zuerst hatte er in der neu erbauten Stadt noch täglich seine Runden gelaufen. Die Hobbitya Mackenschild hatte ihn, wenn sie so früh aus der Gastwirtschaft kam, oft zugenickt, anerkennend vielleicht.  Wer wusste das bei _ihr_ schon.
Selbst das Schreiben fiel ihm immer schwerer. Die winzige Feder in den riesigen Händen. Es war einfach anstrengend. Aber das ließ er sich nicht nehmen.
Seine Nichte, nun da nicht mehr das Gebirge zwischen ihnen lag, sah er oft. Sie bemühte sich ihrem Onkel von Zeit zu Zeit Arbeit abzunehmen. Las ihm vor und ging mit ihm spazieren. Zu langsam, wie Theo fand. Aber schnelles Laufen lag ihm nicht mehr.

Vielleicht sollte er seinen Herren bitten, den jungen Izhkarioth, an seiner statt zum Kämmerer berufen. Der Bengel war vom ersten Treffen an seiner Stellung interessiert. Doch wagte er nicht danach zu bitten, Theo selber hätte es als verrat an seinem Eid gesehen. Und niemals würde er den Mann, der ihm ein Heim gab, enttäuschen. Bis zum Tod… Solange und keinen Tag eher würde Theo seine Aufgaben vernachlässigen.
Winthallans waren wie seine Familie. Er liebte sie. Wie ein Großvater seine Enkel liebte, so fühlte er für Ailis und Theron. Für ihre Eltern empfand er so was wie väterliche Liebe. Auch wenn er es niemals offen zeigen würde. Er würde Ailis vermissen, sobald sie ins heiratsfähige Alter kam – So gut kannte er die hiesigen Sitten – dass auch sie verheiratet werden würde. Wie einst ihre Mutter. Blieb nur zu hoffen, dass aus der Pflicht irgendwann tatsächliche Liebe wurde.

Als sie noch im Breeland lebten, hatte ihn die kleine Prinzessin oft an Lia erinnert. Sie war anständig, aber doch ein lebhaftes Kind. Freute sich über einen Karamellbonbon oder ein einfaches Holzspielzeug. Sobald sie lesen konnte, kam sie zu Theo und führte ihre Lesekünste vor. Sie las Theo jedes Mal dasselbe Buch vor. Aber er hatte die Zeit genossen. Theron war seinem Vater sehr ähnlich. Er liebte seine Heimat und wusste schon früh was von ihm erwartet wurde. Soweit Theowalt es beurteilen konnte, war er ein guter Junge.

Theo nahm seine Feder zur Hand und begann jeden seiner Gedanken nieder zu schreiben. Langsam und mühselig reihte er mit zittriger Hand Wort an Wort aneinander und tauchte die Feder regelmäßig ins Tintenfass.

Die erste Seite füllte sich halb, ehe er eine Pause einlegen musste. Er rückte seinen Stuhl zurecht und beugte sich vor, las die letzten Zeilen erneut. Er musste sich nah über das Buch beugen um zu lesen. Es war deutlich angenehmer, wenn ihm jemand vorlas. Sein Gehör war noch relativ gut. So hoffte er zumindest. Niemand hatte ihm bisher etwas Gegenteiliges gesagt.

Hier im Herrenhaus, hatte Theo sich schnell heimisch gefühlt. Schneller als im Breeland. Er hatte zwar kein Haus mehr, aber Tatsache war, so war es ihm deutlich lieber. Er musste nur zwei Räume in Ordnung halten. Neben den anderen Pflichten die er hatte, war das eine enorme Erleichterung gewesen. Am schönsten hier, fand er die Ehrengarden. Fast täglich hatte er die Möglichkeit die Reiter zu beobachten wie sie stolz die Straße hinunter ritten und dabei von allen Seiten bestaunt wurden. Des Fürsten Kinder, die Mädchen der Aldorns, der Sohn des Schreibers, Cardaans eigener Spross und sogar der Junge des Medikus‘ standen neben ihrer Lehrerin in Reih und Glied um zu zeigen dass sie einmal bereit sein würden für ihre Heimat einzutreten, in welcher Weise das am Ende auch geschehen würde.
Wenn er diese Garden sah, erinnerte er sich an seine eigene Jugend. Die Zeit als er selber ein Schwert führte.
In der letzten Zeit, den letzten drei Jahren erwischte er sich immer öfter dabei, wie er gedanklich in der fernen Vergangenheit hing. Gelegentlich musste er sich einen Moment besinnen, bevor er seinen Herren ansprach.

Nun, was sollte es schon. Er wurde eben alt. Alte Menschen waren seltsam und eigen. Warum sollte er mit über siebzig nicht irgendwie schrullig werden. Theo musste schmunzeln während er seine Gedanken zu Papier brachte. Gedanken an sein Ableben hatte er nicht, dafür war er zu zufrieden.

Letztendlich empfand er es als Glück damals im Breeland zurück gelassen worden zu sein. Lady Aldorn irrtümlicherweise als Knaben bezeichnet zu haben und dann für ein Gespräch zum Fürsten geschoben wurde.
Er hatte ein gutes Leben gehabt. Immer. Und die letzten seiner Jahre, waren die angenehmsten die er je hatte. Er hatte eine Familie, zumindest in seinen Augen, was auch immer der Fürst dazu sagen würde, würde er Theos Gedanken kennen. Er hatte genügend zu tun, sah seine Nichte öfter als er zu träumen gewagt hätte und hörte den Schall von Fanfaren.
Wenn er morgen nicht mehr aufwachen würde hätte er ein perfektes Leben gehabt.

Zufrieden legte er die Feder beiseite. Verschloss das Tintenfass gründlich und lies das Buch offen liegen, damit die Tinte trocknen konnte. Dann erhob er sich langsam. Nahm seinen Gehstock, den er in seinem Zimmer lies, sobald jemand anders ihm über den Weg laufen konnte und ging zu der kleinen Tür, die hinaus in den Garten führte in dem seine – eigens für ihn installierte – Wäscheleine hing. Sein abgetragener brauner Anzug hing darauf und war fast trocken. Theos Stock bohrte sich in den weichen erdigen Boden. Ailis hatte ihm Blumen eingepflanzt. Sie waren weinrot. Lächelnd betrachtete Theo die großen Blüten, die durch die Anstrengung des Schreibens nur verschwommen zu erkennen waren. Sie hoben sich vom kräftigen Grün der Blätter und des Grases ab. Theo bezweifelte, dass jemand anders als die Prinzessin und er um ihre Leidenschaft wussten.

Theo hörte die Fanfaren die den Wachwechsel ankündigten. Heute würde er nicht den Zug betrachten, zum einen wäre er nicht schnell genug die Gänge entlang gelaufen und zum anderen waren seine Augen müde für heute. Heute würde er nur hören, seine Augen schließen und sich vorstellen, wie er vor mehr als einem halben Jahrhundert selber auf einem stolzen Ross gesessen hatte.

  1. Cinlir Winthallan sagt:

    Ah – na die Antwort kann ich dem Mann doch geben: Er würde Theo Recht geben. 🙂

  2. Elmion sagt:

    awwwww…. der Theo….. wunderschöner schnüffblog!

  3. Giselher Aldorn sagt:

    Oha, da wünscht man sich für Theo ja nochmal nen ordentlichen Wachwechsel! Toller Blog!

  4. Sethur sagt:

    Schööön. 🙂 Toller Blog.
    Ich mag, wie sich die ganzen Zukunftsblogs irgendwo überschneiden und ein etwas schräges, aber tolles Ganzes ergeben. 🙂

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