Vor Jahren…
Es war so still geworden am großen Feuer, daß jeder Atemzug und jedes leise Wispern in den Baumwipfeln hörbar war. Die Nacht strahlte vom Licht der Lampen, als wären Laurelin und Telperion noch am Leben, und als hätte man sie hierher verpflanzt.
Die Worte des Traumsängers hallten noch nach, und wie gläserne Nachtfalter nahmen sie Platz auf Zweig und Ast. Die Kinder und jungen Erwachsenen saßen, in dichte Stoffe und Felle gehüllt, um ihn herum und schienen ganz betrunken von seinen Worten. Limcell saß dicht neben Gwaethil und hatte ein dunkles Fell über den jüngeren Bruder gelegt. Beide hatten die Beine eng an den Körper gewinkelt und die Arme darum geschwungen. Gwaethil war so gebannt gewesen von dem Lied, daß er nicht bemerkt hatte, wie ihm sein Überwurf heruntergerutscht war.
Zum Fest hatten sich alle Bewohner des Dorfes geschmückt. Viele trugen grüne Ranken im Haar. Manche hatten sich mit silbernen Bändern verziert, und viele waren bemalt.
Limcell, der seit einiger Zeit zu den Erwachsenen zählte, trug feine Reife um die Handgelenke und hatte sein dunkles Haar mit ebensolcher Zier zurückgebunden. Außerdem trug er das Zeichen des melethnaud – des Liebesgebundenen – auf den Händen. Es zeigte allen, daß er seine Liebe bereits gefunden hatte. Limcell und Silivren würden in kurzer Zeit den Bund miteinander eingehen.
Gwaethils Haar war endlich lang genug, um ihm die blaugrünen Eufeuranken hineinzuflechten, ohne daß er aussah, als hätte er sich zu lange im Gebüsch versteckt. Himlamath hatte die Verzierung des Jungen übernommen, da Ceven und Ornrhoss während dieser Tage alle Zeit für sich benötigten.
Das echuianen ging herum, und ein jeder trank davon. Das Getränk zeigte rasch Wirkung, als die Stille sich mehr und mehr verflüchtigte und die Zuhörer aus dem Traum erwachten.
Da erst bemerkte die versammelte Gruppe, daß Ornrhoss sich zu ihnen gesellt hatte. Er war während der letzten Stunden bei Ceven gewesen, seiner Gemahlin und Mutter seiner Söhne. Wie es Sitte war, hatte er ihr beigestanden und war nicht von ihrer Seite gewichen, bis sie es schließlich geschafft hatte.
Die versammelten Elbenkinder, die jungen Erwachsenen und der Traumsänger selbst blickten ihn an. Vor allem Limcell und Gwaethil betrachteten ihren Vater mit gespannten Mienen.
In seinen Händen hielt der Elb ein kleines Bündel. Und als alle ihn ansahen, hielt er es nach oben. Dann drehte er sich nach Norden, nach Westen, nach Süden und nach Osten. Anschließend präsentierte er es dem Himmel und der Erde. So war es Brauch.
Es den Sechs vorzustellen war Aufgabe des Vaters.
„Heute Nacht wurde uns ein Mädchen geboren.“
Die Stimme von Ornrhoss war fest und ehrfurchtgebietend wie immer, doch nicht einmal er konnte seine Rührung verbergen.
„Die Sechs haben es gesehen. Sie wurde geboren, als der Mond sich als Sichel zeigte, und er schaute gütig auf dieses Kind. Ihm soll es geweiht sein. Sein Name ist Cúronil.“
Wie es Sitte war, gingen die Elben nun vor dem Kind auf ein Knie und neigten die Köpfe. Limcell und Gwaethil sahen sich nicht an, aber der Ältere der beiden nahm die Hand des Jüngeren in seine.
„Sei willkommen in unserer Mitte, Cúronil.“, sagten die beiden Brüder. Dann erst taten die anderen es ihnen gleich.
Das Mädchen, das von Ornrhoss noch immer nach oben gehalten wurde, betrachtete währenddessen die Mondsichel, die silbern zwischen den Baumwipfeln am Himmel thronte.
Ihr gehörte die Nacht.
Gibt es da eine Verwandtschaft zu einem Herrn namens Cúronsûl? 😀
*melancholisch rumgrins* Ich bin sehr gespannt auf Cúronil 🙂
Nope. Und Cúronil hat auch schon existiert, bevor ich überhaupt vom Wind des Sandes gehört habe.