Wolfsjagd …

Cyrah
19. Februar 2011 • Kommentare: 2

Stille

Nebel lag über den Feldern, der Welt. Kein Vogel war zu hören, nichts, die Natur schwieg. Und doch war dies das schlimmste aller Vorzeichen, zu welchen die befähigt war.  Langsam wallen die Schwaden über einen kleinen, mit Gras bewachsenen Hügel am Rande der Moore. Greifen danach, umweben alles was sie mit ihren langen, spinnenartigen „Fingern“ erreichen können und doch, werden sie gebrochen. Zerrissen von einem langen, schlanken Körper, welcher über den Hügel springt. Die Pfoten landen fast lautlos auf dem Gras, gehetzt schaut das graue Tier sich um, hechelnd hängt ihm die Zunge aus dem Hals doch es bleibt keine Zeit. Schon kann sie das Bellen der Meute hinter sich hören.

Sie duckt sich, spannt den ganzen Leib an und wieder beginnt sie zu rennen, auf die Moore zu welche funkelnd und unheilvoll glitzernd vor ihr liegen. Der erste Schritt der Pfoten auf den Boden lässt sie aufheulen, sofort schaut sie zurück, hebt die rechte Pfote, von welcher helles Rot auf dunklen Schlamm tropft. Sie haben sie gehört, jetzt werden sie schnell, sie muss weiter, den Schmerz ignorierend. Wieder eine Pfote auf das Glitzern, erneut ein winselndes Aufheulen, dann rennt sie los. Der Morast unter ihren Pfotenballen schimmert wie Metal und schneidet tief in die Pfotenballen, reißt diese auf, macht ihr jeden Schritt nur umso schwerer. Und doch zeug das Platschen des Wassers, Spritzen des Schlammes, dass sie noch immer rennt. So weich, so anschmiegsam, so herrlich kühl auf den schmerzenden Pfoten wirkt alles unter ihr und dennoch schneidet es tief, als steckten unzählige Klingen versteckt darin.

Sie rennt, hört die Meute hinter ihr immer näher kommen. Oh, wie süß ist die Versuchung stehen zu bleiben, einfach auf zu geben. Den Schmerz zu ertragen, ein kurzer Schmerz, dann wäre alles vorbei. Sie würden sie einholen und erlegen, ihr das Fell vom Leib reißen, aber das würde sie nicht mehr spüren. Dann hätte sie längst Dunkelheit umgeben und es würde aufhören weh zu tun und sie müsste nie wieder davon laufen. Aber dennoch rannte sie … etwas zog sie weiter, immer weiter, immer tiefer in diese unwirkliche Gegend hinein.  Etwas hieb von der Seite nach ihr, brachte sie zum Straucheln,  ihre Seite schmerzte, das Gebell kam näher. Schnaufend schüttelte sie den Kopf, rappelte sich auf, rannte weiter. Auch wenn es mehr und mehr zu einen Stolpern wurde. Immer wieder brachten sie Hiebe von den Seiten zu Fall, zogen ihr unsichtbare Schlingen die Pfoten unter dem Körper weg und ließen sie der Länge nach zu Boden gehen. Ihr Fell war verklebt, nass und schwer von all dem Schlamm darin, ihre Pfoten brannten, als würde etwas an ihnen fressen, immer wieder hinein beißen und dennoch versuchte sie erneut zu rennen.

Da war ein Geruch, eine Witterung die ihr den Weg zeigte, sie würde ihn blind finden können. Es roch nach Fichte und Schneeglöckchen und sie wusste, sie musste es erreichen.

Gerade als sie sich dessen bewusst wurde, riss sie etwas zurück. Fänge umschlossen ihren Hinterlauf, rissen sie von den Beinen und sie jaulte auf, die Schnauze voll Dreck, Schlamm tropfte davon herunter.  Sie sah zurück, doch sie erkannte nur das Glitzern des Metals, überall ragte es hinter ihr aus dem Boden,  die Wölfin wollte aufstehen, doch ihr Hinterlauf gehorchte ihr nicht mehr, der ganze Hinterleib knickte ein und so sehr sie sich auch zwingen wollte wieder hoch zu kommen, ebenso oft klatschte sie erneut in den Sumpf.

Das Bellen der Meute hinter sich, spürte sie noch etwas anderes. Diese ruhige, totenstille Kälte begann an ihr herauf zu kriechen, schmiegte sich um ihre geschundenen Läufe und flüsterte ihr sanft ins Ohr „Bleib hier … hier wirst du Ruhe finden … ich helfe dir, ich berge dich, ich schütze dich … für immer … vor allem… “ Sie lächelte und ließ sich zu Boden sinken. Immer weiter umarmte sie das Moor, hieß sie die Kälte willkommen, nahm ihr den Schmerz an den Pfoten, nahm ihr jeglichen Schmerz den sie spürte und auch die Angst vor allem was hinter ihr lag. Jeder Atemzug wurde schwerer, die Umarmung der Kälte drückte langsam und unaufhaltsam die Luft aus dem schlanken Wolfskörper. Und als die Kälte ihre Schnauze umwob, langsam in die Nasenlöcher kroch ihr den Atem zu nehmen, da schloss sie die Augen und legte die Ohren matt zurück. Doch mit der letzten Luft, die durch ihre Nase strömen konnte, drang erneut dieser Geruch an sie heran. Tastete in einschlafender Dunkelheit des Geistes nach diesem und kitzelte ihn, regte ihn an sich noch einmal zu besinnen.

Mit einem von Schlamm erstickten Aufheulen, riss sie die Augen auf und wollte den Kopf heben, den Schlamm abschütteln und sich erneut aufraffen. Dieser Geruch, sie musste ihn erreichen, sie durfte nicht aufgeben. Sie hatte einen kleinen Moment aufgegeben, aber das war falsch und das musste sie wieder in Ordnung bringen. Verzweifelt versuchte sie sich aus dem Sog zu befreien, doch je mehr sie strampelte, je mehr sie vorwärts kommen wollte umso fester wurde der Griff und die liebreizende Stimme wurde zu einem Lachen in ihrem Kopf. Als sie weiter versank, ihre Ohren zu Taubheit verdammt, da sie voller Schlamm gelaufen waren, ihre Augen geblendet, umgeben von Moor und zum Schweigen gezwungen, denn nichts als Morast schlickerte um und in ihre Schnauze, wenn sie diese zu öffnen suchte. Ein letzter Atemzug … noch einmal dieser Geruch, dann ward es still  und sie fiel …

Nach Luft schnappend erwachte die Jägerin, sie griff sich an den Hals und keuchte auf. Ihre Hand tastete an ihr herunter und das weiße Nachthemd war durchnässt von Schweiß. Zitternd griff sie nach dem schwarzen Stoff, welcher neben ihr lag. Zog und drückte ihn an sich, es war nur ein Traum gewesen … alles nur ein Traum. Nichts war Wirklichkeit gewesen. Sie zog die Beine an, zog den Umhang an sich, verschränkte die Arme vor ihren Knien, lehnte die Stirn dagegen und zu dem Schweiß auf dem Stoff, gesellten sich salzige Tränen. Ihr ganzer Körper bebte förmlich und dennoch hörte man keinen Klagelaut von ihr, bis auf die Atemgeräusche, welche stockendes, schnappendes, weinendes Atmen erzeugt.

Und währen die Klarheit dessen, dass all dies nur ein Traum gewesen war, sie wieder ruhiger stimmte, dass nichts von alle dem je Wirklichkeit gewesen war, schlich sich ein Geruch in ihre Sinne, streichelte diese und weckte das Gefühl aufstehen zu müssen.

Ganz langsam tat sie dies, legte den Umhang um ihre Schultern, schloss ihn vorne und dieser umhüllte sie vor Kälte schützend, wie er es schon immer getan hatte. Ihre nackten Füße berührten den Boden, langsam einen Schritt vor den anderen setzend, verließ sie ihr Bett. Ließ es hinter sich, trat an dem Korb mit den darin schlafenden Hunden vorbei auf die Türe zu. Legte ihre nicht mehr zitternde Hand an die Klinke und öffnete fast lautlos die Türe zum obersten Turmzimmer des Wachhauses. Kurz zuckte sie zurück, als sie hinter der Türe in den kleinen Flur trat …

… doch er war leer. Aber da war etwas gewesen, sie war sich ganz sicher.

Weiter ging sie, langsam die Stufen der Treppe herunter, sich durch das Hinterzimmer zum Schlafraum schleichend. Es war dunkel und jene die keinen Dienst hatten, schienen tief und fest zu schlafen. Niemand von ihnen erwachte, als nackte Füße sich klammheimlich durch den Raum schlichen.

Ihr Blick suchte ein Bett auf der rechten Seite, es war leer.

Sie erreichte die schwere Eingangstüre und griff erneut an die Klinke, diesmal jedoch mit der anderen Hand, auch diese Türe öffnete sich und sie trat hindurch in die kühle, ruhige Nacht. Das Gras unter ihren Füssen fühlte sich kühl und doch weich und freundlich an. Und nur mit feinem, weißen Stoff des Nachthemdes und dem eher derben Wachumhang bekleidet, führte sie ihren Weg fort. Den Weg durch den Vorgarten des Wachhauses entlang, dann rechts und danach wieder links und immer geradeaus. Am Brunnen vorbei, bis sie erneut Gras unter ihren Füssen spüren konnte.

Einzig der Schein des Mondes war es, der sie auf diesem Weg begleitet hatte, der ihr den Weg erleuchtete und jetzt offenbarte was sie gesucht hatte. Die letzten Schritte so unendlich langsam, trat sie an die Treppe heran, kniet sich an deren linker Seite der untersten Stufe hin. Kälte kroch an ihr empor, war es noch Winter und die Wärme der Tage noch nicht kräftig genug, diese auch der Nacht zu schenken.

Dennoch kniete sie, so dass der Saum des Nachthemdes sich mit eisigem Tau voll sog. Streckte ihre Hände aus und hob etwas hoch, ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen und sie spürte, wie warme Tränen über eiskalte Wangen rannen.

Ihr Blick lag auf einem Fichtenzweig, welchen sie ebenso in der Schale ihrer beider Hände barg, wie das erste Schneeglöckchen, welches sie in diesem Jahr gefunden hatte. Beides hatte sie hierher gelegt, ganz für sich, ohne jemandem etwas zu sagen. Aber es war falsch gewesen, das wusste sie nun und so war es allein an ihr, es wieder gut zu machen. Es war ein Zeichen in Hilflosigkeit gewesen, eines in Nichtverstehen aber so durfte sie …

…sie keuchte auf, mitten in ihren Gedanken, noch immer jene zwei Dinge betrachtend, welche zu schwimmen begannen. Die sonst unschuldig weißen Blüten färbten sich rot, schwammen darin und der Zweig ertrank vor ihren Augen in einem Meer als Rot, welches die Schale ihrer Hände zu fluten begann. Ein jeher Schmerz durchfuhr sie und mit einem widerlichen Klatschen, Spritzer roten Lebenssaftes um sich herum verteilend, wie dahin geschlachtet, fielen beide Dinge wieder an ihren alten Platz vor der steinernen Treppe zurück.

Sie keuchte auf, wollte sich erneut hinknien und danach greifen, aber ihre Hände gehorchten ihr nicht mehr … in jeder Handfläche ein tiefer Schnitt, brachte nichts als ROT … ROT ….ROT.

Und mit einem Mal brach es über sie herein, jetzt wusste sie, was sie im Haus gespürt hatte … es war Schmerz gewesen, wann immer sie eine der beiden Türe hatte öffnen wollen, hatte sie in eine Klinge, statt einer Klinke gegriffen. Und dennoch hatte sie ihr Ziel erreichen wollen, hatte diese fest umschlossen und war weiter gegangen. Aber dennoch, jetzt, hier am Ziel angelangt schmerzten ihre Hände so sehr, dass sie es nicht tun konnte. Dass sie nicht mehr danach greifen konnte … auch wenn sie stark genug gewesen war, es zu ertragen und hindurch zu gehen, so reichte dies alleine nicht. Es genügte nicht die Schnitte zu ertragen, sondern sie hätte die Klingenklinken drehen müssen, wenn sie es zugelassen hätten. Dass sie nicht länger den falschen Weg gingen, ihn wiesen und so mit bitterer Schärfe das falsche Fleisch schnitten.

Sie schloss die Augen und wollte es heraus rufen, in die Nacht schreien, eine Bitte, ein Befehl, so vieles auf einmal und doch waren es nur wenige Worte. „Hört auf …bitte“ dicht gefolgt von einem kaum mehr geflüsterten „Hilfe…“ doch nichts davon kam hervor. Nur undeutliches geröchelt, ein ekelhaftes Geräusch wo Stimme hätte sein sollen.

Schreckgeweitet riss sie die Augen auf und sah es wieder vor sich, des Fürsten Zimmer, des Fürsten Worte … aber sie sah und hörte nur etwas anderes … nur eine tote Stimme, sah tote Augen und die Klinge, als eine Hand vor ihrem Gesicht gehoben wurden… ein Aufblitzen …

Mit einem diesmal so hörbaren Aufwimmern, dass die sechs Hunde aufschreckten und sofort winselnd, an die Jägerin drückten,  riss diese die Augen auf. Im Zimmer war es kalt geworden, der Kamin war längst im Laufe der Nacht erloschen und sie saß noch immer in der hintersten Ecke ihres Turmzimmers auf dem kalten Steinboden. Zitternd die Knie angezogen, die Arme darum geschlungen und ohne wirklich etwas zu sehen, gerade aus blickend. Ihr Atem raste und dennoch nahm sie kaum etwas wahr, was um sie herum geschah … alles war noch so, wie es war als sie in ihr Zimmer gestürmt war und sich einfach in die Ecke gehockt hatte.

Fast alles, denn als sie das getan hatte, hatte sie kein Nachthemd getragen, ihre Kleidung lag nicht verstreut im ganzen Zimmer und der Griff ihrer Türklinke, wie auch der unten am Haupteingang, sowie Zweit und Blüte bei des Fürsten Treppe … sie alle waren zu Beginn der Nacht nicht blutig gewesen. Es war nicht viel, aber es war da.

Sie sah an sich herab, sah den schmutzigen Saum des Nachthemdes und wenn jemand ihren Blick hätte sehen können, hätte er in großen Lettern darin lesen können, dass sie nicht wusste, warum dies alles so war.

Irgendwo unter dem Bett, lag eine kleine Dose … aufgeklappt und einige kugelartige Gebilde lagen verstreut um sie herum auf dem Boden.

  1. Cyrah sagt:

    *entschuldigend dreinschau* es ist länger geworden, als ich dachte *duck*

  2. Drakon sagt:

    Traum in einem Traum.
    Ohje, ich wills doch nich kaputtmachen ^_-

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