Als Ellena den Brief geschrieben hatte, saß sie noch einen Augenblick in ihrer üblichen, sehr aufrechten Haltung und blickte darauf. In gleichmäßigen Buchstaben reihte sich Wort um Wort. Im Schriftbild zeigte sich kaum etwas von dem was sie so sehr bewegte. Die Dame atmete tief ein, dann übergab sie den Brief den Flammen. Seine Worte waren für niemandes Augen bestimmt. Den Inhalt, den sie den Seiten anvertraut hatte, hätte sie eher Saiten anvertrauen sollen, erlaubten ihr jene doch auszudrücken, was sie in ihrem Innersten verbarg.
Und so schreibe ich, wohl wissend, dass diese Zeilen niemanden erreichen werden. Vielleicht erlauben sie aber mir einen kurzen Blick auf mich zu werfen. Ich fühle, dass ich mich mehr und mehr von denen entferne, die mir etwas bedeuten sollten.
Ich genieße das Gastrecht im Hause des Fürsten Winthallan. Er wird nicht müde zu betonen, dass ich ein Teil davon wäre und folglich nicht um Gastrecht bitten muss. Bin ich das? Sybell Winthallan ist mir eine gute Freundin, aber auch ihr würde ich nie meine Zweifel anvertrauen, ist sie doch ihrem Gatten loyal ergeben. Ich kenne kaum einen des Haushaltes. Drakon Meroun versieht seinen Dienst, wie man es von einer Klinge erwarten darf. Giselher Aldorn ist seinem Herrn so treu ergeben, dass er zu vergessen haben scheint, aus wem das Haus Minas Faer enstanden ist. Diese Beobachtung mache ich allenthalben. Der Name Salas scheint nahezu vergessen. Seine Ideen, seine Großmütigkeit ebenso.
So bin ich zu einer stillen Beobachterin geworden und besuche zuweilen den Ort Bree, um zu lernen. All die kleinen Geschichten oder jene, die für die Beteiligten äußerst große Geschichten sind. Es bedarf nur etwas Stille um die Noten jenes Spieles zu durchdringen. Solche Besuche bringen es mit sich, ebenfalls bemerkt zu werden. So hatte ich das Vergnügen, mit einem Herrn die Harfe zu spielen, über den ich nichts weiß und doch sehr viel. Er spielt sein Instrument vortrefflich. Die Bewegung seiner Augen, seine Worte, seine Stimme lassen mich ahnen, dass die Laute nicht zwangsläufig das Instrument ist, das er am besten zu spielen weiß. Ich werde weiter lernen.
Ebenfalls bemerkt wurde ich von Atherton Salas. Was fange ich nur mit diesem Namen an, was fange ich nur mit dieser Vergangenheit an. Er scheint sich seines Namens und seines Erbes zu besinnen. Das Erbe indes wurde jemanden anders zugesprochen. Es hat den Anschein, als wolle Atherton das nicht akzeptieren. Es hätte mich auch verwundert, bekam Atherton doch stets was er begehrte, selbst wenn es Entbehrungen, Verluste oder Gefahr für ihn bedeutete. Er hat Geduld, also wird er warten bis seine Zeit gekommen ist und er wird die Zeit des Wartens sicherlich sinnvoll nutzen.
‚Ich möchte Dir so wenig Schmerz wie möglich zufügen.‘ Das waren seine Worte. Ich brachte es nicht über mich, ihm zu sagen, dass der Schmerz schon längst zugefügt wurde. Vielleicht nicht von ihm, doch aber vom Schicksal, das mich zwischen dem Haus Minas Faer, Salas und nun Winthallan hin und her gehen lässt, gleich einem Blatt das vom Wind bald hier bald dorthin geweht wird.
Ich verstehe sein Ansinnen. Wer, wenn nicht Atherton, kann die Mauern Minas Faers zusammenhalten, ihnen eine Seele geben? Und doch ist das Haus nunmehr unverbrüchlich mit dem Namen Winthallan verbunden, einem Namen, dem ich zur Treue verpflichtet sein sollte; ist es doch mein Ehemann, der einst für seine Treue von Enlir Winthallan erhoben wurde.
Tharlegond. Fast denke ich mit Wehmut an ihn. Ich bin ihm fern, wäre es wohl auch wenn ich nun in Linhir wäre. Er muss seine Aufgaben erfüllen und er erfüllt sie gut. Seine Nachrichten sind beunruhigend genug und ich muss um die Sicherheit des Barons von Linhir fürchten, soviel kann ich seinem Brief entnehmen. Es wäre für das Land vermutlich eine große Last, verlöre es in diesen Tagen seinen Souverän. Mein Vater allerdings starb schon vor Jahren und die Treue seiner Tochter wurde gewinnbringend verkauft. Ich sollte den Fürsten über diese Entwicklung informieren, gehe allerdings davon aus, dass er über diese Information bereits verfügt oder sie kaum von Bedeutung für ihn ist.
Ich denke, es wird Zeit für ein neues Lied, eines bei dem ich den Takt vorgebe. Ich bin es leid, der Melodie des Windes zu lauschen und ein Blatt zu sein, das vom Wind fortgetragen wird.
Sehr toll geschrieben, Gisi. Richtig schöner Blog. I like. 🙂
Uh! *dops*
Jetzt aber. Mach sie fertig, Ellena!
Ich bin gespannt 🙂
*zurücklehn und seufzt*
*tränchen wegwink*