*Neben dem Eintrag ist eine vage Skizze eines alten Frauengesichtes zu sehen*
Sticken habe ich immer gehasst. Sticken und Nähen. Dummes Frauenhandwerk. Immer waren meine Stiche krumm und schief, oder zu weit auseinander, zu liederlich. Meine Amme meinte einmal zu meiner Mutter, ich hätte die Finger eines Schmieds. Wir haben diesmal Besuch. Irgendeine Tochter irgendeines Barons, gesittet und wunderhübsch anzusehen. Mir kommt die Galle hoch, wenn ich sie kichern höre. Es klingt falsch und hinterhältig. Ich mag sie nicht….und ihre kleinen Freundinnen auch nicht! Aber Mutter hat sich in den Kopf gesetzt, dass ich Freundinnen brauche – was soll ich mit diesen dummen Gänsen anfangen? Diese schnattern , sehen in meine Richtung und kichern.
„Was redet ihr da?“, frage ich misstrauisch und werde von der ertappten Stille beinahe überwältigt. Dann schnattern sie los, dass Junge XY eines der Gänse wundervoll findet und diese heiraten würde….und ich höre schon gar nicht mehr hin, sondern bin weiterhin damit beschäftigt, mir die verfluchte Nadel in meinen verdammten Daumen zu jagen. Dennoch weckt das Geschnatter das Interesse der Amme.
„Worüber sprecht ihr Kinder?“, fragt sie wachsam.
„Über unsere Stickarbeiten!“, meint die mausgraue Gans und ich hasse sie dafür aus ganzem Herzen.
Die Amme steht auf und kommt zu mir. Sie streckt fordernd die Hand nach meiner Handarbeit aus. Widerwillig reiche ich mein Kunstwerk weiter. Die Amme besieht diese mit einem sehr kritischen Auge. Sie seufzt resignierend.
„Oh, Claddagh“, meint sie tadelnd. „Das genügt nicht. Das genügt sicher nicht.“
Alle sehen mich an. Das ist zu viel. Mausgraue Gans grinst höhnisch. Ich merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen, also springe ich auf und renne raus. Die grauenhafte Amme ruft mir hinterher, wo ich denn hingehe, ich wirbele herum und rufe, dass ich noch ein Pferd beschlagen muss….und ihr Gesichtsausdruck treibt mir noch heute ein Grinsen aufs Gesicht, wenn ich daran denke. Ich renne, so schnell ich kann, in mein Zimmer. Ich fühle mich ungeliebt. Ich bin zu klein, zu plump, kann nicht sticken und nähen (was wirklich wichtig für eine gute Ehefrau ist, wie mir meine Mutter immer wieder versichert). Dafür kann ich reiten. Als ich mich in meinem Zimmer umziehe, fällt mir ein, dass diese verfluchte Amme meine Mutter benachrichtigt haben wird und sie mich hier finden, wenn sie mich suchen. Ich will aber nicht gefunden werden, denke ich. Ich werde einfach den Jungs bei ihren Übungen zusehen. Ich renne also zu dem überdachten Übergang zwischen Waffenkammer und Großem Turm. Dort ist ein Fenster, von dem man den Hof einsehen kann. Als ich dort ankomme, ist Conwealh bereits dort, hat es sich auf der Fensterbank bequem gemacht.
Bruder…
„Solltest du nicht an deinen Stickereien sitzen?“, fragt er sanft. Seine Stimme, seine ganze Art kühlt mein Gemüt.
„Ich wollte sie kämpfen sehen“, brumme ich nur.
Conwealh lächelt und rutscht zur Seite, macht mir Platz. Als ich mich neben ihn setze, legt er einen Arm um meine Schultern. Leider üben dort unten nur die Knappen, was mich enttäuscht. Ich wollte richtige Männer üben sehen. Diese Kinder sind so dick gepolstert, dass es mich wundert, dass sie noch stehen können.
„Etwas ermüdender als Handarbeit.“, bemerkt Conwealh trocken.
„Etwas vergnüglicher als Handarbeit“, gebe ich genauso trocken zurück.
Mein Bruder lacht leise und wuschelt mir durch die Haare. Ich mag das.
„Warum bist du nicht da unten?“
„Einem Bastard steht es nicht zu, junge Lords und die Knappen der Lords zu verhauen. Deren Blessuren haben von reinrassigen Schwertern zu stammen, mein Hobbit.“
Die Welt ist ungerecht, denke ich einmal wieder. Eine Weile sehen wir zu, wie dort unten gestochen, gehauen, gehackt, gestöhnt, geschrien, gestritten und geweint wird.
„Du solltest in dein Zimmer zurück“, meint er nach einer Weile und bedenkt mich mit einem dieser ruhigen Blicke. „Wenn man dich nicht findet, wirst du zur Strafe bis zum nächsten Winter sticken müssen. Und eines Tages findet man einen Haufen Knochen mit einer Sticknadel in der Hand…“
„Das ist nicht witzig!“, beschwere ich mich, muss aber grinsen, weil Conwealh so herzlich lacht.
Er rutscht von der Bank und widerstrebend folge ich ihm und gehe wieder auf mein Zimmer. Es ist schlimmer, als wir gedacht haben – nicht nur die Amme ist dort, nein, auch Mutter…..