Minas Faer

Meine Fragen nach dem Wieso… sie wurden nicht beantwortet. Just gestern Abend offenbarte sich mir das, was ich nie für möglich hielt:
Ich stand vor dem Flechter, wie immer, schaute auf den Platz und dachte nach. Ein Tag wie jeder andere auch, so dachte ich. Doch als Frau Immertreu auf mich zu trat, dieses hämische Grinsen auf den Lippen, der Hohn, der Spott, spürte ich das erste Mal das altvertraute Gefühl in ihrer Nähe: Angst.
Was auch immer mit ihr los war; es war nicht Frau Immertreu. Nachdem sie mit Frau Lysawyn gekämpft, bewusstlos und gefesselt am Boden lag, nahm Wache Vane sie mit sich in den Flechter, um den Vorfall von uns allen geschildert zu bekommen. Irgendetwas musste mit ihr passiert sein, denn nachdem sie wieder erwachte, schien es so, als sei Frau Immertreu wie aus einer Trance erwacht; ihr Benehmen auf einmal wieder so, wie ich es von ihr gewohnt war. Es tat mir fast schon leid, als wir schlussendlich vor dem Fürsten standen und ich ihm ebenfalls erklären musste, weshalb ihm Immertreu vorgeführt wurde.
Wieso wurde sie so handgreiflich? Wieso drohte sie mir mit solch harschen Worten? Es stimmt was nicht… Ich muss mit ihr reden. Irgendwie. Nur rennt sie vor mir weg, wie ein Reh vor dem Jäger.
Ich bin ihr nicht böse, warum sollte ich auch? Schlussendlich stand sie zur ihrem Handeln und es tat ihr offensichtlich leid. Eigentlich habe ich sie sehr gerne, auch wenn unsere Ansichten nun völlig verschieden sind, hatte ich bei ihr das Gefühl dieses Verstanden-werdens, wie ich es auch bei Mynerya habe.
Vielleicht kann ich heute mit ihr reden. Es muss doch möglich sein. Die Schatten, die uns verfolgen… Ihre Worte erinnern mich daran, dass ich ihre Schatten noch nicht begreifen kann. Aber ich will es versuchen. Damit es nicht wieder soweit kommt. Ob sie eine Freundin ist? Ja. Enttäuschung sollte nicht das vorherrschende Gefühl sein. Alles hat seine Gründe. Und vielleicht liegt es an mir, diese herauszufinden. Sonst würde es wohl niemand tun.

Mein Fuß tut immer noch weh; Amlaras meinte, er sei verstaucht. Zum Glück. Ich mache mir dennoch mehr Sorgen um Frau Lysawyn. Der Dolchstoß in ihrem Bein muss sie sehr arg schmerzen. Ich denke, die Medica wird sich darum gekümmert haben. Trotzdem sollte ich zu ihr und mich bedanken, dass sie das alles auf sich genommen hat um mir zu helfen. Und sie darum Bitten, nicht allzu bös‘ auf Frau Immertreu zu sein.

Giselher war wütend, als er es erfuhr. Zum Glück sagte Frau Lysawyn ihm wohl nicht genau, wer es war; ich befürchte, er hätte sie gescholten. Nachdem ich ihm erklärte, dass ich lediglich gestürzt bin, war er wieder etwas beruhigt.
Giselher… Er hat seine 3 Prüfungen bestanden. Ich kann es immer noch kaum glauben, aber als er mich gestern zu diesem Ort führte, der nur ihm gehörte, war ich sogar etwas erstaunt. Das hätte ich nicht erwartet. Er entschuldigte sich sogar bei mir; er könnte mir keine mächtigen Ruinen oder andere imposante Orte bieten, sondern nur das. Warum tat er das? Ich möchte keinen strahlenden Helden in blanker Rüstung auf einem weißen Pferd; der Traumprinz, wie er oft beschrieben wird in Gedichten, Büchern, Legenden. Ich will Giselher, den Mensch Giselher, nichts mehr und nichts weniger. Was brauche ich Schlösser und Festungen, wenn ich dennoch alleine bin. Und das bin ich nicht, ich geniesse jede freie Minute, die wir miteinander verbringen.
Ich bin glücklich, sehr glücklich, dass er mich an einem Stück von sich teilhaben lässt. Ich hoffe, ich kann ihm ebenso eine gute Frau, Freundin und Gefährtin sein, wie er für mich alles sein will. Jetzt müssen wir nur noch zum Fürsten… Ich hoffe, er hat nichts mehr einzuwenden.

Mein Fuß… hoffentlich rennt Frau Immertreu nicht wieder fort, wenn ich sie sehe. Ich befürchte, so werde ich sie niemals einholen können.